Erfolgreiches BGM stellt Kennzahlen und Steuerungssysteme für die Gesundheitsleistungen eines Unternehmens zu Verfügung. Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des BBGM e. V., Sophie Lampé, hat mit dem Geschäftsführer der GESOCA, Christian Feist, darüber gesprochen, wie auch Ernährung bzw. Betriebsgastronomie zu einem messbaren Faktor für das BGM werden können. (Insbesondere aber nicht ausschließlich vor dem Hintergrund der Corona-Krise.)

Sophie Lampé: Seit vielen Jahren arbeiten Sie in der Betriebsgastronomie. Was hat Sie bewogen, die Messbarkeit von Kantinenleistungen im Sinne von Gesundheit voranzutreiben?

Christian Feist: Wenn Betriebsgastronomie klassisch betrieben wird, sind Gästezufriedenheit und Kosten die wichtigsten Erfolgskriterien. Aber eine Kantine kann viel mehr: Sie beeinflusst Arbeitsplatzattraktivität und Mitarbeiterzufriedenheit, sowie Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Mitarbeiter. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, diesen Wert im Unternehmen deutlich zu machen. Dabei geht es um Transparenz: Was ist der konkrete Mehrwert einer Kantine für das Unternehmen? Welche messbaren Leistungsfaktoren gibt es? Was ist der Return on Investment? Die Gesundheitsorientierung einer Kantine zu messen und zum Interesse des Gastronomen zu machen, erwies sich in den letzten Jahren als sehr erfolgreicher Hebel. Das wirkt auf die Ernährung und die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Es können sogar positive Effekte auf die Nachhaltigkeit nachgewiesen werden.

Sophie Lampé: Mit welchen Veränderungen müssen wir durch die Corona-Krise rechnen? Mehr Mitarbeiter im Homeoffice, weniger Präsenz in den Betrieben. Spielt Gesundheit da noch eine Rolle?

Christian Feist: Gesundheit, Prävention, Vorsorge waren schon vor der Corona-Krise Themen, die allen bewusst waren. Allerdings war es leichter, sie zu ignorieren. Durch Corona wird es überdeutlich: Gesundheit ist essenziell! Für die Mitarbeiter ganz persönlich, für die Unternehmen, um Ausfälle zu minimieren, aber auch übergeordnet, für uns als Gesellschaft. Je gesünder wir sind, umso besser können wir pandemische Ereignisse verkraften, aber auch andere Herausforderungen meistern wie z.B. den War of Talent oder die Folgen des demographischen Wandels. Wenn Mitarbeiter im Homeoffice sind, ist das Unternehmen ja nicht weniger daran interessiert, dass sie gesund sind und bleiben. Gute und gesunde Ernährung spielt auch hier eine Rolle. Die Frage ist: Wie kann das Unternehmen seine Mitarbeiter diesbezüglich erreichen? Welche Konzepte gibt es da? Interessante Unterstützungsprogramme, Foodboxen, Apps, etc. werden hier in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten und zusätzlich den Mitarbeiter ans Unternehmen binden. Es ist die Chance, die Gesundheit des Mitarbeiters zu fördern und ihm ein positives Erlebnis zu bieten, ohne dass er vor Ort ist.

 

Sophie Lampé: In den Hitlisten über die beliebtesten Kantinengerichte in Deutschland, stehen Wurst und Schnitzel mit Pommes ganz vorne. Gesundes Essen scheint nicht gut anzukommen. Warum ist das so?

Christian Feist: In der Tat scheint die Kombination Gesundheit und Ernährung viele Menschen abzuschrecken. Gleichzeitig geben viele Arbeitnehmer an, dass sie sich gesünder ernähren wollen. Klar ist: Wer vorschreibt, was auf den Teller kommt, macht sich unbeliebt. Es ist oberste Pflicht des Kantinen-Chefs, die Wünsche der Gäste zu hören und gut zu kochen. Zweite Pflicht ist, die Produktion schlank und effizient zu halten. Leider führt das dazu, dass zwar mit gesundem Essen geworben wird, in der Praxis aber Curry-Wurst & Co. die meistverkauften Gerichte sind. Diese Gerichte zeichnet aus, dass sie beliebt sind und günstig hergestellt werden können.

Sophie Lampé: Bevormundung der Gäste ist „out“, Gesundheit ist „in“. Wie kann dieser Widerspruch gelöst werden?

Christian Feist: Es braucht mehr Betriebsgastronomen, die das Thema Gesundheit auf die Agenda nehmen. Wie gesund ist die Rezeptur? Wie hoch ist der Fett- und Zuckeranteil? Frische, Zubereitungsart, Heißhaltezeit, etc. – all’ das sind Kriterien, die beeinflussen, wie gesundheitsorientiert das Essen auf dem Teller ist. Es ist nicht nötig, den Speiseplan zu ändern. Wir beobachten, dass allein die Optimierung von Rezepturen zu einem 20% höheren Gesundheitswert führen kann. Sicherlich erfordert dies eine gewisse Einarbeitung, doch das Hinterfragen der bestehenden Abläufe führt zu sehr guten Ergebnissen. So kann es weiterhin Pizza, Spaghetti, Schnitzel etc. geben, aber eben nachweislich gesünder. Wer lernt, damit umzugehen und erfolgreich zu sein, überzeugt seine Mitarbeiter und verbessert gleichzeitig Reputation und Standing der Kantinenleistung. Ich finde es gut, wenn das gastronomische Knowhow und die Kreativität im Sinne der Mitarbeiter und der Unternehmen für mehr Qualität und Gesundheit eingesetzt werden.

Sophie Lampé: Mit GESOCA bieten Sie eine Dienstleistung zur Messung von Qualität und Gesundheitsorientierung in Kantinen an. Wie ist das für das BGM verwertbar?

Christian Feist: Wir liefern eine Kennziffer über die ernährungsphysiologische Qualität der Kantinenleistung, in dem wir die Gerichte mit einem wissenschaftlichen System klassifizieren. Dadurch wird die Kantinenleistung transparent und vergleichbar und das BGM kann wirksame verhältnispräventive Maßnahmen einleiten. Bessere Ernährung kann nur durch eine gute Verzahnung von Verhaltens- und Verhältnisprävention erreicht werden. Was nützt es, den Gast aufzuklären, wenn die Gastronomie das nicht unterstützt? Wenn Gesundheit als Leistungsfaktor in die Geschäftsmodelle der Kantinen integriert wird, z.B. in Form eines variablen Entlohnungsmodells, Bonus-Malus-Systems, etc., kann viel erreicht werden.

Sophie Lampé: Vielen Dank.