Die „Flow-Krankheit“

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was es bedeutet, wenn jemand sagt: „Ich bin gerade voll in meinem Flow?“ oder „Ich komme irgendwie nicht in meinen Flow?“ Nein? Dann bekommen Sie genau hier einen kurzen Einblick in dieses hoch komplexe Thema.

Der Alltag bringt täglich die ein oder andere Hürde mit sich, die es zu bewältigen gilt. Hürden bedeuten immer negativen Stress für unseren Körper. Reize, die der Mensch mit Ressourcen ausgleichen muss. Doch wieviel Stress / Reize, oder besser gesagt Stressoren (wie z.B. chronischen Stress am Arbeitsplatz oder auch im Privatleben, regelmäßig falsche Lebens- und Ernährungsweisen, etc.), verträgt der Einzelne ohne krankheitsbedingte Folgen zu erleiden?

In der heutigen Arbeitswelt erleben wir immer öfter, dass kranke, leistungsgeminderte Arbeitnehmer aussortiert und durch neue, gesunde und leistungsstarke Nachwuchskräfte ersetzt werden. Eine solche Vorgehensweise sollte nicht die grundsätzliche Strategie eines Arbeitgebers sein. Vielmehr sollte die Führungskraft den kranken leistungsgeminderten Menschen analysieren und sich die Frage stellen, was ihn krank gemacht hat und was dazu geführt hat, dass er seine Leistung nicht mehr erbringen kann.

Das Zauberwort heißt „Persönlichkeitstypologie“. Dass kein Mensch dem anderen gleicht, stellte schon Hippokrates um 400 vor Christus in seiner Temperamentslehre fest. Es war die Rede von verschiedenen Säften, die der Mensch in unterschiedlichen Mengen in sich trägt und aus denen sich seine Einzigartigkeit ergibt. Heute reden wir von Persönlichkeiten mit individuellen Stärken und Schwächen. Wenn sie ihre Stärken ausleben können, dann wächst jedes dieser einzigartigen Individuen über sich hinaus. Sind sie jedoch permanent ihren Schwächen ausgesetzt und können nirgendwo ihre Stärken zum Einsatz bringen, werden sie krank – bis hin zum Persönlichkeitswechsel.

Immer wieder fällt auf, dass es Menschen gibt, die schnell und rational in ihrem Handeln und ihrer Entscheidungsfähigkeit sind, die Extrovertierten. Dann erleben wir, dass es wiederum Menschen gibt, die eher länger überlegen und ihre Entscheidungen etwas langsamer treffen, die Introvertierten.

Dies ist eine weitere wichtige Erkenntnis, um unsere Mitmenschen besser zu verstehen, denn der Flow bzw. Anti-Flow hängt genau damit zusammen. In seiner Theorie bezeichnet der Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi den Flow als ein „restloses Aufgehen in einer Tätigkeit“.

Der Flow ist der optimale Zustand zwischen Über- und Unterforderung. Eingehende Stressoren können optimal aufgefangen und kompensiert, Leistungen am Arbeitsplatz bestmöglich abgeliefert werden.

Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied wie und wann der Flow-Zustand erreicht wird. Hier ist die Menge der Stressoren entscheidend. Der Extrovertierte braucht deutlich mehr Reize, um in seinen persönlichen Flow-Zustand zu kommen als der Introvertierte; der Introvertierte hingegen benötigt deutlich weniger Stressoren.

Das Gegenstück des Flow-Zustandes ist der Anti-Flow, wo das Gleichgewicht nicht mehr gegeben ist. Wird der Anti-Flow zum chronischen Dauerzustand, kann er krankmachen und kann letztlich zur inneren Kündigung führen. Genau diesen Zustand gilt es zu vermeiden.

Unsere Persönlichkeit bestimmt also, wie schnell wir gestresst sind, wieviel Ressourcen wir für unseren Alltag benötigen, ob wir schnell oder langsam im Flow bzw. Anti-Flow sind. Um verstehen zu können, warum ein gesunder, aber introvertierter Mitarbeiter vielleicht gerade nicht die Leistung erbringen kann, die ein gesunder extrovertierter Mitarbeiter gerade erbringt, müssen wir verstehen, wer unser Gegenüber ist und in welchem Zustand er sich derzeit befindet.

Abschließend möchte ich betonen wie wichtig es ist, zu wissen, dass es verschiedene Persönlichkeitstypen gibt. Jeder Mensch ist einzigartig, hat seine eigenen Stärken und Schwächen, benötigt unterschiedliche Reize, um in Stress zu geraten. Die Art wie wir Stress verarbeiten können, ist entscheidend dafür, ob wir gesund sind oder krank werden.

Um dieser Aufgabe als Führungskraft, die für das betriebliche Gesundheitsmanagement eine wichtige Rolle spielt, gerecht zu werden, bieten sich z.B. professionelle Seminare zum Thema Persönlichkeitstypen an. Denn je besser man seine Mitarbeiter kennt, desto effektiver kann man sie einsetzen.

Fazit: Eine Abteilung funktioniert immer nur so lange harmonisch und produktiv, wie das Herz der Abteilung gleichmäßig im Takt schlägt. Man braucht immer alle Persönlichkeiten, denn die Stärken jedes Einzelnen gleichen die Schwäche des anderen aus. Man muss sie nur kennen und dann nutzen. Kämpft also nicht gegeneinander, wenn der eine nicht so ist wie der andere, sondern nutzt eure Einzigartigkeit, eure Stärken und Schwächen. Macht euch dafür stark, dass das Herz Eurer Firma nie aufhört zu schlagen.

Text: Stephani Münstermann, Betriebliche Gesundheitsmanagerin und Mitglied des Vorstands im Bundesverband Betriebliches Gesundheitsmanagement e. V.