Ein Gastbeitrag von Thomas Reformat, Mitgründer des Berliner Start-ups froach

Im Rahmen unserer 20-jährigen Beratungs- und Trainertätigkeit durften wir sehr verschiedene BGM-Konzepte entwickeln und begleiten. Rückblickend lässt sich feststellen, dass sich, egal in welcher Branche – ob in der Wirtschaft, der Verwaltung, der Produktion oder auch bei Kita-Trägern –, ähnliche Faktoren für ein erfolgreiches Gesundheitsmanagement in Organisationen zeigen. Immer mehr von ihnen haben verstanden, dass die Grundlage für die Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden und damit verbunden für den Unternehmenserfolg das körperliche, mentale und soziale Wohlbefinden ist.

7 Must haves für ein erfolgreiches BGM * ein Gastbeitrag von Froach Media GmbH

Bevor ich die 7 Must-haves für ein erfolgreiches BGM benenne und beschreibe, möchte ich auf die entscheidende Frage eingehen: Welchen Nutzen versprechen sich Organisationen eigentlich von einem BGM? Die folgenden drei Argumente spielen dabei in der Praxis die größte Rolle:

1. Kostenreduktion durch Absentismus
Das häufigste Argument vieler Organisationen für den Start eines BGMs sind nach wie vor die hohen Krankheitszahlen. Es entstehen Kosten durch den sogenannten Absentismus, dem krankheitsbedingten Fehlen der Mitarbeitenden. Diese Zahlen sind quantifizierbar und daher gut messbar.

2. Kostenreduktion durch Präsentismus
Mehrere Studien wie die von Booz & Company (PwC Strategy& (Germany) GmbH, 2011) haben gezeigt, dass durch den Präsentismus, d. h. die Anwesenheit von Mitarbeitenden, die trotz Krankheit zur Arbeit gehen, aber nur eingeschränkt leistungsfähig sind, noch viel höhere Kosten entstehen als durch den Absentismus. Beispiele dafür sind erhöhte Fehlerhäufigkeit, Unfälle und qualitativ und quantitativ reduzierte Arbeitsergebnisse. Diese finanziellen Belastungen sind schwerer zu identifizieren und oft echte Kostentreiber. (Quelle)

3. Mitarbeiterbindung und Rekrutierung durch Arbeitgeberattraktivität
Dieses Argument hat in den letzten Jahren insbesondere in Arbeitsbereichen mit Fachkräftemangel enorm an Wichtigkeit gewonnen. Ein gutes BGM ist ein Signal des „sich Kümmerns” – du bist uns wichtig. Durch eine erhöhte Arbeitgeberattraktivität bestehen deutlich größere Chancen bei der Mitarbeitergewinnung als auch bei der Mitarbeiterbindung. Das Fehlen qualifizierter Fachkräfte wirkt sich in der Folge direkt auf die Beanspruchungen der Beschäftigten aus und damit nicht zuletzt auf einen Anstieg von Absentismus und Präsentismus. Bei aktuellen BGM-Projekten zeigt sich genau das besonders bei Kindertagesstätten und Pflegeunternehmen.

7 Must haves für ein erfolgreiches BGM * ein Gastbeitrag von Froach Media GmbH

 

Die 7 Must-haves: So wird Ihr BGM erfolgreich

1. Deutliches Commitment der Geschäftsführung

Ohne eine ehrliche und gut kommunizierte Rückendeckung für ein gelebtes BGM seitens der Geschäftsführung geht wenig. Immer mehr Organisationen integrieren die Gesundheitsförderung als klares Ziel in ihren Unternehmensleitlinien. Grundvoraussetzungen sind die Bereitstellung ausreichender Budgets, entsprechender Personalressourcen sowie eine gewisse Vorbildrolle. Letzteres muss nicht bedeuten, dass die Geschäftsführung zu „Vorturnenden” wird, aber eine stärkende Rolle durch echtes Interesse, Wertschätzung und Anerkennung für geleistete BGM-Maßnahmen sind sehr förderlich.

2. Ehrliche und authentische Steuerung

Ein strategisches BGM braucht unbedingt ein Steuergremium. In Abhängigkeit von der Organisationsgröße kann das ein „Arbeitskreis Gesundheit”, in kleinen Firmen auch eine verantwortliche Person sein. Die Erfahrung zeigt, dass sich oft sehr gesundheitsinteressierte und verantwortungsbewusste Mitarbeitende für dieses Thema engagieren. Damit das so bleibt, sollten ausreichend Zeit und Handlungs- sowie Entscheidungsspielraum zur Verfügung gestellt werden. Ein erfolgreiches BGM macht man nicht mal eben leicht nebenher!

3. Ein prozessorientiertes und ineinander verstärkendes BGM

Strategisches BGM ist ein Prozess, der aus quantitativen und qualitativen Analysen, Konzeptionen, Gesundheitsinterventionen, Dokumentation und Evaluation sowie aus Neuanpassungen besteht. Systematische Vor- und Nachbereitungen sind Voraussetzungen für ein zielführendes BGM, jedoch sollte bei der Budgetierung auf Verhältnismäßigkeit geachtet werden. So manch eine Unternehmensberatung verdient viel Geld mit Analysen sowie Evaluation und es bleibt dann kaum Geld für die notwendigen Gesundheitsmaßnahmen. Eine kostenbewusste Vorgehensweise und hohe Wirksamkeit schließen sich nicht aus. Entscheidend sind dabei die gegenseitige Verstärkung von Struktur- und Interventionsmodulen. Strukturmodule wie „Steuerkreis Gesundheit”, Führungskräfte, Gesundheitsmultiplikatoren und digitale Gesundheitstools sollten untereinander gut kommunizieren und ineinander verzahnt werden. Gesundheitsinterventionen können arbeitsplatznah und begleitend durchgeführt werden. Oder die jährliche Firmenfeier kann durch lebendige Gesundheitsaktionen aufgepeppt und ohne zusätzlichen, aufwendig organisierten Gesundheitstag durchgeführt werden.

4. Ein bedarfsorientiertes und zielgruppenspezifisches Angebot

Im Rahmen der Analyse und Konzeption hilft das Identifizieren von unterschiedlichen Zielgruppen. Folgende zwei Differenzierungen sind aus unserer Sicht sinnvoll:

  • Arbeitsspezifische Zielgruppen
    Die Maßnahmenplanung sollte unbedingt arbeitsspezifisch gestaltet werden. Beispiele für diese Zielgruppen sind Führungskräfte, Auszubildende, Generation E, Verwaltung, Produktion oder Servicepersonal. Achtung, jede Organisation ist anders!
  • Gesundheitsverhaltensbezogene Zielgruppen
    Oft ist die Enttäuschung groß, wenn aufwendig organisierte Interventionen nicht wahrgenommen werden. Entscheidend dafür ist die Einsicht und Akzeptanz, dass nicht alle Mitarbeitenden ein gleiches Gesundheitsinteresse, Gesundheitsziel oder ein motiviertes Gesundheitsverhalten aufweisen. In der Gesundheitspsychologie differenzieren wir zwischen Non-Intendern, Intendern und Aktiven (nach dem HAPA-Modell nach Prof. Dr. Schwarzer). Beschäftigte ohne große Intentionen müssen anders angesprochen und aktiviert werden als bereits Aktive. Das bedeutet, diese Personen gehen auf keinen Gesundheitstag, aber vielleicht erreicht man sie besser mit Maßnahmen direkt an ihrem Arbeitsplatz oder durch niedrigschwellige digitale Gesundheitstools, die Spaß machen. Und Personen, die zwar eine Intention haben, gesünder zu leben, aber es nicht schaffen, ihren sogenannten Schweinehund zu überwinden, brauchen wieder andere Unterstützungsformate und Methoden.Es lohnt sich also, diese unterschiedlichen Zielgruppen zu (er)kennen und mit den auf sie zugeschnittenen Gesundheitsmaßnahmen besser zu erreichen.

5. Partizipativer Ansatz

Unsere Erkenntnis der letzten Jahre für ein erfolgreiches BGM ist die Beteiligung unterschiedlicher Personengruppen im BGM.

  • Führungskräfte
    Sie sollten nicht nur informiert, sondern unbedingt frühzeitig mit ihren Wünschen, Ideen und Fragen für und an ein zukünftiges BGM eingebunden werden. Das funktioniert besser, je mehr sie auch ihr eigenes Gesundheitsverhalten im Blick haben. Deshalb sind Führungskräfteseminare für die persönliche, mentale und körperliche Selbstfürsorge oft erst der Türöffner, um an das „Gesunde Führen” zu denken.
  • Gesundheitsmultiplikatoren
    Die Qualifizierung „Betrieblicher Gesundheitsmultiplikatoren”, also die Befähigung der gesundheitsinteressierten Belegschaft, die Gesundheit direkt in ihren Teams zu fördern, nimmt an Bedeutung weiter zu. Sie unterstützen in ihrer Funktion ihre Führungskräfte, bilden die Brücke zwischen Arbeitskreis Gesundheit und Mitarbeitenden und sind im Gegensatz zu den Gesundheitstrainern ständig vor Ort. Unternehmen entwickeln interne „Feel-Good-Manager:innen”, die zeitlich und inhaltlich wesentlich flexibler in ihren Teams agieren können. Unsere Erfahrungen zeigen, die Investition in Ausbildung und regelmäßige Refresher ist deutlich niedriger als die Organisations- und Durchführungskosten für externe Coaches.Wichtig: Dinge, die selbst mitentwickelt werden, sind praxisnäher und werden auch mit größerer Motivation umgesetzt.

7 Must haves für ein erfolgreiches BGM * ein Gastbeitrag von Froach Media GmbH

6. Hybride Ansätze

Die Digitalisierung ist zum Glück auch im BGM kein Fremdwort mehr. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Online-Interventionen für die Gesundheitsförderung im Büro und Homeoffice waren und noch sind. Aktuell zeigt sich jedoch, dass viele Mitarbeitende ebenso erschöpft sind von diversen Online-Konferenzen und Coachings. Die Freude auf lebendige Seminare und den direkten Austausch ist groß. Die Herausforderung besteht nun darin, digitale und trainerbasierte BGM-Maßnahmen sinnvoll zu verknüpfen. So kann der Gesundheitstrainer vor Ort zukünftig auf die eigenverantwortliche zusätzliche Nutzung der digitalen Bewegungsanwendung im Unternehmen verweisen oder der Arbeitsschutzbeauftragte die regelmäßigen Bildschirmpausen mit Hilfe des digitalen Pausentools empfehlen usw. Das Ergebnis ist umso besser, je mehr die digitalen und analogen Angebote in den jeweiligen Gesundheits-Ökosystemen, wie z. B. Ergonomie, Pausenmanagement oder Bewegungsförderung, der Organisationen verankert werden.

7. Internes und externes Health Marketing

„Tue Gutes und rede darüber!” Im Rahmen unserer BGM-Analyse-Workshops oder Gesundheitszirkel stellen wir häufig fest, dass schon eine ganze Menge getan wird, aber das Struktur, Sichtbarkeit und Kommunikation fehlen. So machen Sie Ihre BGM-Maßnahmen bekannter:

  • Intern
    Sobald die BGM-Konzeption in einer 3- oder 5-Jahresplanung steht, sollte diese Strategie intern nicht nur kommuniziert, sondern auch schnell wiedererkannt werden. Ein organisationsspezifisches BGM-Logo, ein passender Slogan oder eine kreative Bildmarke fördern Kommunikation und Identifikation. Kommunikationskanäle wie Intranet, Schwarzes Brett, Führungskräfte und Gesundheitsmultiplikatoren können das Verständnis, die Motivation und die Beteiligung mit kleinen kreativen Marketinginstrumenten verstärken.
  • Extern
    Wie bereits erwähnt spielt das Thema Arbeitgeberattraktivität eine zunehmend große Rolle. Wer sein firmenspezifisches BGM im Rahmen von Stellenausschreibung, PR-Aktionen, Websites, Social Media und Unternehmensdarstellungen/-berichten gut sichtbar macht, profitiert.

Das Betriebliche Gesundheitsmanagement ist ein wichtiger Faktor zur Mitarbeiterbindung und -gewinnung. Viele Organisationen stehen aber vor der Herausforderung, ihr BGM erfolgreich umzusetzen. Mit diesen sieben Must-haves gelingt ein erfolgreiches BGM ganz bestimmt.

Thomas Reformat * Froach Media GmbH in Berlin

 

Thomas Reformat ist Dipl.-Psychologe, Physiotherapeut und Mitgründer des Berliner Start-ups froach.de. Er blickt auf mehr als 20 Jahre Erfahrung im Betrieblichen Gesundheitsmanagement zurück. Zu seinen Hauptinteressen gehören präventive Gesundheitsförderung, Stressmanagement und Ergonomie. Daneben ist er Geschäftsführer bei relax-Gesundheitsmanagement und gestaltet dort Beratungs- und Interventionsmodule für strategisches BGM.