Ein Denkanstoß von Prof. Dr. Martin Lange, Professor für Management im Gesundheitswesen an der IST-Hochschule für Management und Mitglied des Vorstands im Bundesverband Betriebliches Gesundheitsmanagement e. V. , zu einem agilen betrieblichen Gesundheitsmanagement:

Die digitale Transformation durchdringt seit Jahren zunehmend die Gesellschaft und beeinflusst gleichzeitig Strukturen und Prozesse ganzer Organisationen. Die Ausbreitung von COVID-19 wirkte in diesem Zusammenhang wie ein Brandbeschleuniger und implementierte in noch so digital-aversiven Betrieben softwarebasierte Lösungen. Das vorher undenkbare – wie beispielsweise Arbeit von zu Hause aus – ist plötzlich möglich. Im Zuge der digitalen Transformation wird vor allem den agilen Arbeitsmethoden der Weg geebnet. Ganze Teams vernetzen sich durch unterschiedliche Kanäle und arbeiten an einem gemeinsamen Ziel, ob mit kleinen Teilaufgaben oder komplexeren Themen. Die Zusammenarbeit in mehreren Teams ist ebenso möglich und die Erfolgssteuerung wird zunehmend selbstorganisierter und ergebnisbezogen. Ständige Veränderung und Anpassung an immer volatiler werdende Bedingungen mit dem Kunden und dem Mitarbeiter im Mittelpunkt sind charakteristische Merkmale der Agilität.

Die verstärkte Ausrichtung der Unternehmen auf Agilität und einer damit einhergehenden stärkeren Zentrierung der Mitarbeiter, verändert das Leistungs- und Aufgabenspektrum der täglichen Arbeit. Mitarbeiter können und sollen mehr Verantwortung übernehmen, werden mit deutlich mehr Informationen konfrontiert und üben sich gleichzeitig in neuen IT-basierten Softwarelösungen im alltäglichen Arbeitsprozess. Gerade im Arbeitskontext steigen dadurch die Beschleunigung von Arbeitsprozessen und die Informationsdichte rasant. Gesundheitlich hinterlässt dies gravierende Spuren. So haben sich allein die Arbeitsunfähigkeitstage durch psychische Erkrankungen von 2009 bis 2018 mehr als verdoppelt (Badura et al., Fehlzeiten Report, 2019, S. 459).

 

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) kann und soll an dieser Stelle kontinuierlich und systematisch die Gesundheit von Mitarbeitern aufrechterhalten, fördern und wiederherstellen. Doch während Unternehmen stets agiler und dynamischer werden, bleibt das BGM weiterhin sehr strukturiert und prozessbehaftet, flankiert von Gesetzen und Regularien. Damit ist BGM für agile Unternehmen nicht obsolet oder weniger gut umsetzbar. Vielmehr ist es nun notwendig BGM agil zu denken und mit Blick auf die Haltung ein agiles mindset zu etablieren. Ansätze und Interventionen sollten vermehrt agile Arbeitssettings berücksichtigen. In einem weiteren Schritt sind dann die klassischen Elemente eines BGM-Systems wie bspw. die Zielfestlegung, der PDCA-Zyklus und der Managementansatz mit agilen Prinzipien zu verknüpfen. Danach können dann konkrete Ansätze und Interventionen im konkreten Setting – wie bspw. im HomeOffice oder in der kollaborativen Arbeit – implementiert werden. All dies geschieht selbstorganisiert, im selbst gewählten Tempo und vor allem unternehmensspezifisch.

Text: Prof. Dr. Martin Lange, Professor für Management im Gesundheitswesen an der IST-Hochschule für Management und Mitglied des Vorstands im Bundesverband Betriebliches Gesundheitsmanagement e. V.